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Wunderfrage
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Wunderfrage
„Stell dir vor, heute Nacht, während du schläfst, geschieht ein Wunder, und das Problem, das dich gerade beschäftigt, ist verschwunden. Woran würdest du das merken?“ Dies ist ein zentraler Teil der berühmten Wunderfrage von Steve de Shazer.
Inhaltsverzeichnis
- Herkunft / Hintergrund
- Anwendung / Einsatzmöglichkeit
- Ziel
- Beispiel
- Vorgehen in einer Coaching-Sitzung
- Varianten
- Dauer
Herkunft / Hintergrund
Die Wunderfrage ist Teil der „Lösungsfokussierten Kurztherapie“ (Solution Focused Brief Therapy) und wurde in den 1980er Jahren von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg entwickelt. Der Auslöser war eine verzweifelte Aussage eines Klienten über sein Problem: „Vielleicht kann da nur noch ein Wunder helfen“. Rasch war klar, wie nützlich diese Sichtweise sein konnte, und Insoo Kim Berg reagierte auf die mutlose Äußerung des Klienten spontan mit einer Frage, die inzwischen als Wunderfrage bekannt ist. Diese lenkt die Aufmerksamkeit der Klienten darauf, wie ihr Leben aussehen würde, sobald ihr Problem verschwunden ist und ermöglicht so Zugang zu den wirklichen Bedürfnissen des Klienten.
Die Wunderfrage
Ich möchte Ihnen jetzt eine seltsame Frage stellen: Angenommen, während Sie heute Nacht schlafen und das ganze Haus still ist, geschieht ein Wunder. Und dieses Wunder bewirkt, dass das Problem, das Sie hierher geführt hat, gelöst ist. Weil Sie jedoch schlafen, wissen Sie nicht, dass das Wunder geschehen ist.
Wenn Sie nun morgen früh aufwachen, woran werden Sie merken, dass ein Wunder geschehen und Ihr Problem gelöst ist?
Was wird anders sein? Woran werden es andere Menschen merken, ohne dass Sie es ihnen sagen?
Erweiterung der Frage
Welchen Unterschied würden Sie (und andere) bemerken? Was wären die ersten Dinge, die Ihnen auffallen?
Ist so etwas schon einmal passiert?
Würde es helfen, eines dieser Wunder zu erschaffen?
Was müsste passieren, um dies zu tun?
Anwendung / Einsatzmöglichkeiten im Coaching
Die Wunderfrage lenkt den Fokus auf die Lösung des Problems und zusätzlich auf die Auswirkung der Lösung für den Klienten. Anders als eine reine Zielfrage (Was möchten Sie gern erreichen? Oder: Was wünschen Sie sich stattdessen?) geht es bei der Wunderfrage um das „Ziel hinter dem Ziel“, um den „Wunsch hinter dem Wunsch“. Indem der Klient frei von gedanklichen Einschränkungen (schließlich ist es ein „Wunder“) seinen Lösungszustand beschreiben darf, werden seine wahren Bedürfnisse erkennbar. Diese unterscheiden sich manchmal gravierend von einem gesteckten Ziel.
Die Wunderfrage ist außerdem geeignet, wenn ein Klient in seinem Thema feststeckt und er sich kaum eine Lösung vorstellen, geschweige denn, sie entsprechend artikulieren kann. Mit einem „Wunder“ ist es ihm möglich, die Grenzen seiner Vorstellungskraft zu sprengen. Er muss sich keine Gedanken darüber machen, was realistisch ist, oder ob er selbst überhaupt etwas zur Lösung beitragen kann. Dies gilt häufig für verfahrene Situationen, die der Klient nicht allein bewältigen kann (z.B. wenn eine aktive Beteiligung anderer Personen notwendig ist), oder er sich einer Sachlage ohnmächtig ausgeliefert fühlt.
Die Einsatzbereiche sind daher (unter anderem)
- bei Unklarheit über ein Ziel
- bei Schwierigkeiten, Ziele zu formulieren
- bei Gefühlen der Ausweglosigkeit in einer Situation
- Erleben von Ohnmacht und Hilflosigkeit
- bei Unfähigkeit, zu handeln
Ziel
- Fokus auf die Lösung eines Problems lenken
- Klarheit für ein Ziel erreichen
- Das Ziel hinter dem Ziel entdecken
- Mögliche Schritte zur Lösung finden
- Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit des Klienten anregen
Beispiel
Eine Klientin pflegt ihre bettlägerige Mutter. Zudem steckt sie in einer unglücklichen Beziehung und fühlt sich von ihrem Partner nicht wirklich unterstützt. Sie möchte, dass er sich ihr gegenüber liebevoller und aufmerksamer verhält, weiß aber nicht, was sie tun kann. Zudem ist sie durch die Pflege stark angebunden.
Die Wunderfrage „Woran würden Sie nach dem Erwachen merken, dass ihr Problem gelöst ist?“ könnte zu folgenden möglichen Aussagen führen:
„Ich erwache erfrischt und voller Energie und fühle mich den ganzen Tag glücklich.“
„Ich fühle mich geliebt, so wie ich bin und die ganze Welt begegnet mir liebevoll und freundlich.“
„Ich wache auf und genieße es, den Tag mit einem Partner im Bett zu verbringen.“
„Ich wache in aller Früh auf und kann hinaus in die Natur, ohne auf jemand anderen Rücksicht nehmen zu müssen.“
Jede dieser möglichen Antworten ist ein Hinweis auf unterschiedliche zugrunde liegende Bedürfnisse der Klientin: z.B. mehr Energie zu haben, sich geliebt fühlen, eine Partnerschaft zu genießen oder ungebunden und frei zu sein. Entsprechend können die nächsten Schritte und Coaching-Interventionen entwickelt und gestaltet werden.
Vorgehen in einer Coaching-Sitzung
Die Wunderfrage, so einfach sie auch klingt, sollte dennoch sorgfältig verwendet werden. Sie kann an vielen Stellen in einer Coaching-Sitzung eingesetzt werden. Es ist empfehlenswert, den Klienten auf die ungewöhnliche Fragestellung vorzubereiten (vor allem im Businesskontext).
Passen Sie die Formulierungen je nach Kontext entsprechend an, z.B. wie folgt:
„Vielleicht kommt Ihnen die nächste Frage etwas merkwürdig vor, sie erfordert erst mal ein hohes Maß an Phantasie und Vorstellungsvermögen …“
Lassen Sie dem Klienten an dieser Stelle einen Augenblick Zeit und achten Sie auf seine nonverbalen Signale, z.B. ein zustimmendes Nicken, bevor Sie fortfahren:
„Stellen Sie sich bitte mal vor …
… wenn Sie heute nach unserer Coaching-Sitzung nach Hause gehen, …
… den Abend so verbringen, wie vielleicht sonst auch …
… und dann schließlich schlafen gehen …“
Machen Sie kleine Pausen und lassen Sie auch hier dem Klienten immer wieder einige Momente Zeit, Ihren Gedanken zu folgen.
„Und während Sie schlafen, passiert ein Wunder…
... und ihr Problem ist gelöst, auf wundersame Art einfach so gelöst…
... und da Sie ja schlafen, merken Sie nicht, dass dieses Wunder geschieht …
… Sie merken es erst nach dem Aufwachen … an den Auswirkungen …
… Woran würden Sie es merken…?“
Lassen Sie Ihrem Klienten etwas Zeit, um zu antworten, vielleicht ist er eine Zeit lang sehr still, während er seine Gedanken sortiert.
Wenn es erforderlich ist, können Sie auch nochmals betonen, dass die Frage sicher sehr ungewöhnlich ist, und außergewöhnliche Probleme auch ein außergewöhnliches Vorgehen notwendig machen.
Erweitern Sie das Gespräch, je nach Kontext, auch gern um die Ergänzungsfragen und passen Sie sie der Situation an:
„Welchen Unterschied würden Sie (und andere) bemerken? … was noch …?
… haben Sie so etwas schon einmal erlebt, ist das schon einmal passiert …?
… was wäre jetzt notwendig, um so ein Wunder entstehen zu lassen …?
… was müsste geschehen…?“ etc.
Egal, ob Sie die Wunderfrage als zentrales Thema einer Coaching-Sitzung anwenden oder sie sich im Lauf eines Gesprächs anbietet, geben Sie sich und Ihren Klienten die notwendige Zeit dafür. Manche sind sehr schnell mit der Antwort, manche brauchen erfahrungsgemäß etwas länger.
Varianten
Sie können statt des Wunders, das über Nacht passiert, auch anregen, dass eine gute Fee über Nacht einen sehnlichsten Wunsch erfüllt. Bei Kindern hat sich das Bild der Fee sehr bewährt, Kinder sind auch meist sehr gut in der Lage, sich ein Wunder vorzustellen und das zu formulieren.
Dauer
Ungefähr 30 – 60 Minuten.